„Schlanke Verwaltung“ statt sozialer Versicherung

Das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz
verfassungsrechtlich beleuchtet

In Österreich gilt für alle Erwerbstätigen das Modell der Pflichtversicherung. Der Satz scheint so einfach und doch steckt hinter diesen zehn Wörtern ein politisches Schlachtfeld, auf dem seit Anbeginn der Sozialversicherung (SV) schonungslos gekämpft wird. Der Grund dafür liegt einerseits darin, dass die finanziellen Interessen der Wirtschaft auf jene der Arbeitnehmer*innen prallen. Andererseits werden auf dieser Ebene politische Fragen beantwortet und konkrete Leistungen erbracht, die für einen Großteil der Bevölkerung existentielle Bedeutung haben.

Insbesondere in der Welt des Neoliberalismus scheint die staatliche SV als Maxime fehl am Platz. Die Idee eines solidarischen Pflichtversicherungssystems baut auf dem Grundgedanken der Freiheit, sich sein Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten, auf. Das soll auch dann möglich sein, wenn die eigene Erwerbsfähigkeit (kurzfristig) eingeschränkt ist (Kranken- und Unfallversicherung), diese aus eigener Kraft nicht mehr erbracht werden kann (Pensionsversicherung) oder der Arbeitsmarkt nicht genügend Nachfrage erzeugt (Arbeitslosenversicherung). Der Neoliberalismus postuliert konträr dazu maximale Eigenverantwortung und marktwirtschaftliche Lösungen (Privatversicherung); die Logik des Kapitalismus verpflichtet zu ständiger Ausweitung von Profitchancen.1Ferge, „Freiheit und soziale Sicherheit“ (= Transit, Bd. 12), Frankfurt a.M., 1996, 62-78. (67 ff).

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Quellen   [ + ]

1. Ferge, „Freiheit und soziale Sicherheit“ (= Transit, Bd. 12), Frankfurt a.M., 1996, 62-78. (67 ff).

Große Fische – Keine Netze

Die sinkende Körperschaftssteuer und Steuervermeidung multinationaler Konzerne in der EU

Wie kommt es, dass gerade multinationale Konzerne wie Alphabet (Google Muttergesellschaft), Apple, Facebook und Co. trotz Erwirtschaftung höchster Unternehmensgewinne in der EU prozentual am wenigsten Körperschaftssteuer (KöSt) zahlen?

Von Körperschaften (z.B. GmbH und AG) erwirtschaftete Gewinne sind zu versteuern (KöSt). Da das für MNEs (multinationale Konzerne) natürlich unangenehm ist, finden sie regelmäßig Schlupflöcher, um sich vor einem angemessenen Beitrag zu einem funktionierenden Sozialstaat zu drücken und stattdessen ihre Profite zu maximieren. Die Möglichkeiten der Steuervermeidung durch MNEs sind höchst problematisch. Parallel dazu findet ein sogenanntes race to the bottom statt, bei dem sich die Staaten gegenseitig mit immer niedrigeren Körperschaftssteuern unterbieten.

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Editorial Ausgabe #2 Verfassungslos

Im letzten Sommersemester haben wir die Zeitschrift Verfassungslos ins Leben gerufen, um unserer Kritik an der aktuellen Rechtspolitik Ausdruck zu verleihen. Ein gutes Jahr nach Angelobung der schwarz-blauen Bundesregierung ist diese Motivation unverändert: Gleichheitswidrige Maßnahmen, extensive Grundrechtseingriffe und den „neuen“, teilweise parlamentsfeindlichen Stil in Gesetzgebungsverfahren halten wir für ernstzunehmende Angriffe auf unseren Rechtsstaat. weiterlesen

Liebe Leser*innen!

Dieses Projekt ist Ausdruck von Verfassungslosigkeit. Fassungslos machen uns extensive Eingriffe in Grundrechte, Angriffe auf den Rechtsstaat und massive Einsparungen in der Justiz. Wir Jurist*innen und aufmerksame Beobachter*innen wollen allerdings nicht in Schockstarre verweilen, sondern sehen uns vielmehr in der Verantwortung, bei rechtspolitischen Entwicklungen genauer hinzusehen, sie kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls unverhältnismäßige oder verfassungswidrige Vorgänge klar zu benennen. weiterlesen