Haltung (nicht) bewahren

„Österreicher[*innen] stehen dem Islam sehr kritisch gegenüber“ (Kleine Zeitung) oder „Mehrheit der Österreicher[*innen] sieht Islam kritisch“ (der Standard). 1Neue Studie. Österreicher stehen Islam sehr kritisch gegenüber, https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5696194/Neue-Studie_Oesterreicher-stehen-Islam-sehr-kritisch-gegenueber (Stand 7.2.2020); Mehrheit der Österreicher sieht Islam kritisch, https://www.derstandard.at/story/2000109103695/mehrheit-der-oesterreicher-sehen-islam-kritisch, (Stand: 7.2.2020).
Mit diesen Titeln wurde über eine Studie der Universität Salzburg berichtet, deren Ergebnisse mehr zeigen, als eine „kritische Haltung“ gegenüber dem Islam. Fast die Hälfte der 1.200 Befragten stimmte beispielsweise der Aussage zu, dass „Muslim[*innen] nicht gleiche Rechte wie alle in Österreich“ haben sollten. Eine ähnliche Studie der Bertelsmann Stiftung in Deutschland von 2015 kommt zu ähnlichen Ergebnissen und statuiert, dass „Islamfeindlichkeit keine gesellschaftliche Randerscheinung ist, sondern sich in der Mitte der Gesellschaft findet.“ 2El-Menouar/Vopel, Religionsmonitor verstehen was verbindet. Sonderauswertung Islam 2015. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick (2015), 3.

Die Ergebnisse der Studie sind das Produkt eines Kulturrassismus, der sich gerne als Religionskritik ausgibt3Benz, Angst vor Muslimen als Gefahr für unsere Demokratie, in: Ucar/Kassis (Hrsg.): Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit (2019), 141. und der die ganze Gesellschaft und vor allem den medialen und politischen Diskurs durchzieht bzw. durch diesen weiter produziert wird. Islamophobie wird als solche kaum erkannt, als Bagatelle abgetan oder von politisch rechter Seite negiert und als politischer Kampfbegriff diffamiert. Dazu trägt die mediale Berichterstattung enorm bei, die kaum Differenzierungen trifft, wenn es um das Thema Islam geht und den Islam ständig mit negativer Berichterstattung verknüpft.4El-Menouar, Der Islam im Diskurs der Massenmedien in Deutschland, in: Ucar/Kassis (Hrsg.): Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit (2019), 170f. Der Islam wird mit Verweis auf Terrorismus als Aggressor innerhalb der Gesellschaft dargestellt. Auch kommt dies in der Studie deutlich zur Geltung, in der 59 Prozent der Befragten angeben, sie hätten Angst, „dass Terrorist[*innen] unter den Muslim[*innen] in Österreich sind”. Regelmäßig werden „Fremde“ mit Muslim*innen gleichsetzt und als Einheit dargestellt, so als gäbe es keine österreichischen Muslim*innen und als gäbe es keine kulturell-historische Verknüpfung des Islams mit Österreich. So werden schon in der Fragestellung der Studie Muslim*innen und Österreicher*innen als Gegensätze formuliert.

Weiters wird der Begriff des „politischen Islams“ sowohl in Medien als auch in der Politik inflationär und undifferenziert verwendet. Mittlerweile wird darunter alles subsumiert, was am Islam und an bestimmten Muslim*innen als unpassend erscheint und er wird oft geschickt mit dem Islam als Religion und Muslim*innen gleichgesetzt.5Schuler, „Hier wird ein Monster kreiert“, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/politischer-islam-csu-parteitag-leitantrag (Stand: 7.2.2020). ; Schmidinger, Politischer Islam in Österreich, in: Biskamp/Hößl (Hrsg.), Islam und Islamismus. Perspektiven für die politische Bildung (2013), 85. Es wird durch die mediale Debatte und die vielen darin enthaltenen kulturalistischen Fehlschlüsse eine homogene Kultur erzeugt, die es nicht gibt.6El-Menouar, 177. Der Islam wird nicht als Religion, sondern als Etikett benutzt, mit dem Themen „islamisiert“ werden, wie beispielsweise Migrationsdebatten.7 Ebd. 182. Auch die Politik, dabei vor allem die Sündenbockpolitik und -rhetorik der FPÖ und der Sebastian-Kurz-ÖVP, tragen zusätzlich zu den Ressentiments der Österreicher*innen gegenüber dem Islam und Muslim*innen bei.

„Welche Rechte weggenommen werden sollen, bleibt offen“, schreibt Melisa Erkurt im Falter über diese Studie, „doch ein Blick auf Österreichs Vergangenheit lässt mutmaßen.“8Erkurt, Sprechen sie mir nach: Antimuslimischer Rassismus, Falter 2019/40, 9. Abgesehen davon, dass man die Fragestellungen der Studie auch kritisch beleuchten kann und sollte, sind die Ergebnisse erschreckend.9Amir-Moazami, Epistemologien der „muslimischen Frage“ in Europa., in: Amir-Moazami (Hrsg.), Der inspizierte Muslim. Zur Politisierung der Islamforschung in Europa (2018), 91f. Sie zeigen, dass die Mehrheit der Befragten gefährliche Vorurteile gegenüber der islamischen Religionsgemeinschaft hat und zeugen von einem fragwürdigen Rechtsverständnis, da die in der Studie gezeigte „Haltung“ der meisten Befragten keineswegs mit der österreichischen Verfassung vereinbar ist. Daher möchten wir in unserem Artikel Beispiele aus der Studie rechtlich beleuchten und deren Problematik aufzeigen. 

Bau von Moscheen und Minaretten

Knapp 50 Prozent der befragten Personen gaben an, dass Österreich keine Moscheen tolerieren sollte.10 Mehrheit der Österreicher sieht Islam kritisch, https://www.derstandard.at/story/2000109103695/mehrheit-der-oesterreicher-sehen-islam-kritisch, (Stand: 7.2.2020). Die Fragestellung lässt offen, was genau unter einer Moschee zu verstehen ist, denn im allgemeinen Sprachgebrauch wird dieser Ausdruck auch für Gebetsräume verwendet. Daher beziehen wir uns hier explizit auf Bauten mit Minaretten. 

Vor allem um das Jahr 2008 herum gab es diesbezüglich auf politischer Ebene einige Debatten, vor allem in Kärnten und Vorarlberg wurden gesetzliche Einschränkungen bezüglich des Baus von Moscheen und vor allem Minaretten diskutiert. Der Bau sollte durch vermeintlich neutral formulierte Baugesetze erschwert werden, wie beispielsweise § 13 Kärntner Bauordnung: „…die wegen ihrer außergewöhnlichen Architektur oder Größe (Höhe) von der örtlichen Bautradition abweichen, hat die Behörde im Rahmen der Vorprüfung ein Gutachten der Ortsbildpflegekommission einzuholen…“.11 Kärntner Bauordnung LGBl 1996/62 idF LGBl 2018/71. In der politischen Debatte wurde mehrmals hervorgehoben, dass die baurechtlichen Vorschriften vor allem das Errichten von Minaretten behindern sollten.12Ammer/Buchinger, Die Moscheen- und Minarettdebatte aus grundrechtlicher Sicht, migraLex 3/2008, 78 (79f).

Als relevante verfassungsrechtliche Bestimmungen bezüglich des Baus von Moscheen und Minaretten und deren Einschränkung sind vor allem die Art 14 StGG13 Staatsgrundgesetz RGBl 1867/142. , Art 63 Abs 2 StV St Germain14 Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye StGBl 1920/303 idF BGBl III 2002/179. , Art 10 GRC15 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2000/C 364/01. und Art 9 EMRK16 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210. zu nennen, die das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit schützen, sowie der Gleichheitssatz des Art 7 B-VG und das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK.17Greiml, Sind Bauverbote für Minarette zulässig?, juridikum 2007/3, 123 (124). Wir beschränken uns in der Analyse auf die Religionsfreiheit: Grundrechtsträger des Art 9 EMRK sind nicht nur einzelne Menschen, sondern auch Religionsgemeinschaften.18Ammer/Buchinger, 80. Die Errichtung von Moscheen und Minaretten fällt in den Regelungsbereich des Art 9 EMRK, von dem auch die Sichtbarmachung des Glaubens geschützt ist,19Ammer, Stellungnahme des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zum Schweizer Minarettverbot, https://bim.lbg.ac.at/de/antidiskriminierung-asyl-und-migration/stellungnahme-des-ludwig-boltzmann-instituts-fuer-menschenrec (Stand: 10.2.2020). sowie religiöse Gebräuche, worunter neben dem Läuten der Kirchenglocken auch der Ruf des Muezzins zu subsumieren ist.20Ammer/Buchinger, 80.

Eine Beschränkung bei der Errichtung von der Religionsausübung dienenden Gebäuden, worunter auch Minarettverbote fallen, greift in die Glaubensfreiheit ein.21Berka, Verfassungsrecht7 (2018), Rz 1432. Daher könnte der oben angeführte Auszug der Kärntner Bauordnung einen Eingriff darstellen, da er sich auf die Errichtung von Moscheen negativ auswirken könnte.22Ammer/Buchinger, 81.

In das Recht auf Religionsfreiheit darf aber nur eingegriffen werden, wenn dies zur Wahrung der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten unerlässlich ist, da aufgrund des Günstigkeitsprinzips des Art 53 EMRK dem Gesetzesvorbehalt des Art 63 Abs 2 StV St. Germain der Vorrang zukommt.23Berka, Rz 1434.

Zwar können sich auch religiöse Bauten baurechtlichen Vorschriften nicht gänzlich entziehen, doch die Raumordnung muss auch in allen Bundesländern auf eine ausgewogene Deckung der religiösen Bedürfnisse der Bevölkerung Rücksicht nehmen.24Wieshaider, Profane Regeln für sakrale Bauten. Religionsrechtliche Aspekte des Raumordnungs- und Baurechts, bbl 2003/4, 138 (142). Weiters ist in dieser Debatte wichtig zu erwähnen, dass Grundrechtsschutz gerade auch Minderheitenschutz sein muss. Daher ist es jedenfalls unverhältnismäßig, die Errichtung eines Sakralbaus einer anderen Religion als der christlichen mit der Begründung zu untersagen, dass er sich nicht in die mehrheitlich christlich geprägte Umgebung einfüge, wie von manchen Seiten versucht wird zu argumentieren.25Greimel, 125.

Es liegt in den genannten Fällen der Bau- und Raumordnung an der Vollziehung, die Regelungen verfassungskonform anzuwenden. 26Wieshaider, 149. Einschlägige Rechtsprechung zu den Einschränkungen fehlen sowohl vom EGMR, als auch vom VfGH. Jedoch betont der EGMR, dass das Leitbild einer demokratischen Gesellschaft die Pluralität der Glaubensrichtungen verlangt.27Ammer/Buchinger, Jedenfalls wäre ein generelles Verbot der Errichtung von Minaretten verfassungswidrig. 28Schima, Staat und Religionsgemeinschaften in Österreich – Wo stehen wir heute? (Versuch eines Vergleichs mit der Zeit Konstantins, genannt „der Große“), in: Wagensonner/Trauner/Lapin (Hrsg.), Kirchen und Staat am Scheideweg? 1700 Jahre Mailänder Vereinbarung (2015), 137.

Beobachtung der islamischen Glaubensgemeinschaft

Fast 80 Prozent der befragten Österreicher*innen sind der Ansicht, dass der Staat      islamische Gemeinschaften29 Mehrheit der Österreicher sieht Islam kritisch, https://www.derstandard.at/story/2000109103695/mehrheit-der-oesterreicher-sehen-islam-kritisch, (Stand: 7.2.2020). beobachten sollte. Was genau mit einer islamischen Gemeinschaft gemeint ist, wird nicht näher definiert. Wir gehen daher bei der folgenden Untersuchung von der islamischen Religionsgemeinschaft aus.

Eine staatliche Beobachtungskompetenz besteht für gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften nicht. Der Islam wurde mit dem Gesetz vom 15. Juli 1912 über die Anerkennung der Anhänger des Islams nach hanafitischem Ritus als Religionsgesellschaft30 Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams als Religionsgesellschaft RGBl 1912/159. anerkannt. Die Grundlage dafür bildete das Anerkennungsgesetz von 1874, das von der Habsburger-Monarchie nach der Besetzung Bosniens und Herzegowinas erlassen wurde. Im Jahr 1979 wurde basierend auf dem Islamgesetz 1912 und dem Anerkennungsgesetz 1867 die Islamische Religionsgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) gegründet. Die islamische Glaubensgemeinschaft ist seither als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt.31Schmidinger, Islam in Österreich – zwischen Repräsentation und Integration, Österreichisches Jahrbuch für Politik 2007, 237-238. Die staatliche Anerkennung bringt wichtige Rechte mit sich, wie das Ausschließlichkeitsrecht, das bedeutet, dass die Gemeinschaft ein ausschließliches Recht auf ihren Namen, ihre Lehre und die Betreuung ihrer Mitglieder hat und das Prinzip der Parität, das besagt, dass keine Religionsgemeinschaft diskriminiert werden darf. Daneben genießen anerkannte Glaubensgemeinschaften einen erhöhten Schutz: Es ist strafbar, ihre religiösen Lehren herabzuwürdigen oder die Religionsausübung zu stören. Sie dürfen ihre inneren Angelegenheiten selbstständig regeln, ihr Vermögen autonom verwalten, oder Religionsunterricht in öffentlichen Schulen anbieten, um nur einige Punkte zu nennen.32 Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften, www.oesterreich.gv.at (Stand 10.02.2020).

Glaubensgemeinschaften dürfen nicht beobachtet werden, denn eine Beobachtungskompetenz steht einerseits der Bundesstelle für Sektenfragen nach dem Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen33 Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen) BGBl 1998/150. zu. Nach diesem Gesetz können gem. § 4 „Aktivitäten von Sekten oder von sektenähnlichen Aktivitäten“ beobachtet werden.34Schima, 127. (Der Sektenbegriff ist selbst problematisch, da beispielsweise Angehörige von Sekten schwieriger Schutz der Religionsfreiheit erhalten und sich darüber hinaus die Frage stellt, wie der Staat entscheidet, welche Gruppierungen als Sekten und welche als Religionsgemeinschaft anerkannt werden.35Bielefeldt, 88. )   Andererseits kann die Kultusbehörde nach § 11 des Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften36Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften BGBl 2013/75. das Verhalten von Religionsgemeinschaften vor der gesetzlichen Anerkennung über einen Zeitraum von 10 Jahren dokumentieren.37VfGH 14.03.2001, B98/99. Das Überwachen der islamischen Glaubensgemeinschaft ist im Hinblick auf das Gleichheitsrecht und die Religionsfreiheit keinesfalls zu rechtfertigen und würde sich jeglicher gesetzlicher Grundlage entziehen.

Laut Medienberichten soll die neu zu gründende „Dokumentationsstelle für den politischen Islam“ nicht religiöse Vereine als Gegenstand haben, was wie oben gezeigt auch gesetz- und verfassungswidrig wäre, sondern soll religiös motivierte extremistische Vorgänge erforschen. Zu kritisieren ist unter anderem die Bezeichnung solch einer Dokumentationsstelle. Denn der Begriff „politischer Islam“ ist unzureichend definiert und übersieht die vielfältigen Strömungen im Islam. Religiös-politisches Handeln bedeutet nicht pauschal Extremismus und Terrorismus. Außerdem gibt es keine anerkannte wissenschaftliche Definition dafür, was unter dem „politischen Islam“ zu verstehen ist. Eine gut abgegrenzte Begriffsdefinition ist unumgänglich, damit die geplante Dokumentationsstelle nicht populistisch oder gar rassistisch instrumentalisiert wird.38 Stellungnahme der Beratungsstelle Extremismus zur geplanten „Dokumentationsstelle für den politischen Islam“, www.beratungsstelleextremismus.at (Stand 10.02.2020).

Die ewige Kopftuchdebatte

Selbstverständlich findet auch die leidige Kopftuchthematik ihren Platz in der Studie. Da das Thema aber in der medialen Diskussion bereits überproportional viel Platz einnimmt, verweisen wir an dieser Stelle einfach auf den wunderbaren Artikel unserer Kolleg*innen Palmanshofer, Werfring, Wotke mit dem Titel: „Freiheit durch Zwang“ in der zweiten Ausgabe von Verfassungslos.39Palmanshofer, Werfring, Wotke, Freiheit durch Zwang, https://www.forumkritjus.at/der-zwang-zur-freiheit/#more-648 (Stand 10.02.2020).

Fazit

Die Ergebnisse dieser Studie sind deshalb alarmierend, weil Ressentiments gegenüber Minderheiten zu Diskriminierungen bis hin zu Gewalt gegen Individuen führen können.40Benz, Vorurteil und Menschenfeindlichkeit, Soziologische Revue 2013, 12. Die Aushöhlung von fundamentalen Menschenrechten, wie der Religionsfreiheit, passiert nicht von heute auf morgen im Schnellverfahren. Der Ausgrenzung von Minderheiten geht ein schleichender Prozess von einschränkenden Maßnahmen voraus. Unterstützend wirken unverhältnismäßig intensive negative Berichterstattungen. Wie wichtig die Ausübung der Religion für eine Person sein kann, bringt Somek treffend auf den Punkt: Er spricht aufgrund eines gewissen Determinismus der Religionszugehörigkeit von einer „Religionsnotwendigkeit“ der religiösen Person.41Somek, Rechtsphilosophie (2019), §14. Bei der Gewährleistung der Religionsfreiheit kann es aufgrund der universalen Geltung der Menschenrechte keine Abstufungen nach Staatsangehörigkeit oder nach dem Reziprozitätsgedanken geben, wonach „die Gewährleistung der Religionsfreiheit für hier lebende muslimische Personen an die Bedingung geknüpft werden sollte, dass bestehende Diskriminierungen von christlichen und anderen religiösen Minderheiten in den islamischen Staaten ausgeräumt werden“ (Bielefeldt).42Bielefeldt, 86.

Die Glaubensfreiheit hat einen besonderen Rang: Sie stellt ein allgemeines Menschenrecht dar und ist verfassungsmäßig sowohl im Staatsgrundgesetz als auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Jeglicher Eingriff muss dessen besonderen Geltungsumfang berücksichtigen.

Eingriffe in die Glaubensfreiheit einer religiösen Minderheit sollten äußerst kritisch hinterfragt werden, da nicht nur die Rechte von Minderheiten ausgehöhlt werden, sondern auch die Grundwerte der österreichischen Gesellschaft wie Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.43Benz, 11. Wünschenswert für ein besseres gesellschaftliches Klima wäre der gegenseitige Dialog und die Unterstützung der Vielfalt. Denn Religionsausübung darf sichtbar sein.

Ümra Gencer, Amelie Herzog

Quellen   [ + ]

1. Neue Studie. Österreicher stehen Islam sehr kritisch gegenüber, https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5696194/Neue-Studie_Oesterreicher-stehen-Islam-sehr-kritisch-gegenueber (Stand 7.2.2020); Mehrheit der Österreicher sieht Islam kritisch, https://www.derstandard.at/story/2000109103695/mehrheit-der-oesterreicher-sehen-islam-kritisch, (Stand: 7.2.2020).
2. El-Menouar/Vopel, Religionsmonitor verstehen was verbindet. Sonderauswertung Islam 2015. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick (2015), 3.
3. Benz, Angst vor Muslimen als Gefahr für unsere Demokratie, in: Ucar/Kassis (Hrsg.): Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit (2019), 141.
4. El-Menouar, Der Islam im Diskurs der Massenmedien in Deutschland, in: Ucar/Kassis (Hrsg.): Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit (2019), 170f.
5. Schuler, „Hier wird ein Monster kreiert“, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/politischer-islam-csu-parteitag-leitantrag (Stand: 7.2.2020). ; Schmidinger, Politischer Islam in Österreich, in: Biskamp/Hößl (Hrsg.), Islam und Islamismus. Perspektiven für die politische Bildung (2013), 85.
6. El-Menouar, 177.
7. Ebd. 182.
8. Erkurt, Sprechen sie mir nach: Antimuslimischer Rassismus, Falter 2019/40, 9.
9. Amir-Moazami, Epistemologien der „muslimischen Frage“ in Europa., in: Amir-Moazami (Hrsg.), Der inspizierte Muslim. Zur Politisierung der Islamforschung in Europa (2018), 91f.
10. Mehrheit der Österreicher sieht Islam kritisch, https://www.derstandard.at/story/2000109103695/mehrheit-der-oesterreicher-sehen-islam-kritisch, (Stand: 7.2.2020).
11. Kärntner Bauordnung LGBl 1996/62 idF LGBl 2018/71.
12. Ammer/Buchinger, Die Moscheen- und Minarettdebatte aus grundrechtlicher Sicht, migraLex 3/2008, 78 (79f).
13. Staatsgrundgesetz RGBl 1867/142.
14. Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye StGBl 1920/303 idF BGBl III 2002/179.
15. Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2000/C 364/01.
16. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210.
17. Greiml, Sind Bauverbote für Minarette zulässig?, juridikum 2007/3, 123 (124).
18. Ammer/Buchinger, 80.
19. Ammer, Stellungnahme des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zum Schweizer Minarettverbot, https://bim.lbg.ac.at/de/antidiskriminierung-asyl-und-migration/stellungnahme-des-ludwig-boltzmann-instituts-fuer-menschenrec (Stand: 10.2.2020).
20. Ammer/Buchinger, 80.
21. Berka, Verfassungsrecht7 (2018), Rz 1432.
22. Ammer/Buchinger, 81.
23. Berka, Rz 1434.
24. Wieshaider, Profane Regeln für sakrale Bauten. Religionsrechtliche Aspekte des Raumordnungs- und Baurechts, bbl 2003/4, 138 (142).
25. Greimel, 125.
26. Wieshaider, 149.
27. Ammer/Buchinger,
28. Schima, Staat und Religionsgemeinschaften in Österreich – Wo stehen wir heute? (Versuch eines Vergleichs mit der Zeit Konstantins, genannt „der Große“), in: Wagensonner/Trauner/Lapin (Hrsg.), Kirchen und Staat am Scheideweg? 1700 Jahre Mailänder Vereinbarung (2015), 137.
29. Mehrheit der Österreicher sieht Islam kritisch, https://www.derstandard.at/story/2000109103695/mehrheit-der-oesterreicher-sehen-islam-kritisch, (Stand: 7.2.2020).
30. Gesetz betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams als Religionsgesellschaft RGBl 1912/159.
31. Schmidinger, Islam in Österreich – zwischen Repräsentation und Integration, Österreichisches Jahrbuch für Politik 2007, 237-238.
32. Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften, www.oesterreich.gv.at (Stand 10.02.2020).
33. Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen) BGBl 1998/150.
34. Schima, 127.
35. Bielefeldt, 88.
36. Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften BGBl 2013/75.
37. VfGH 14.03.2001, B98/99.
38. Stellungnahme der Beratungsstelle Extremismus zur geplanten „Dokumentationsstelle für den politischen Islam“, www.beratungsstelleextremismus.at (Stand 10.02.2020).
39. Palmanshofer, Werfring, Wotke, Freiheit durch Zwang, https://www.forumkritjus.at/der-zwang-zur-freiheit/#more-648 (Stand 10.02.2020).
40. Benz, Vorurteil und Menschenfeindlichkeit, Soziologische Revue 2013, 12.
41. Somek, Rechtsphilosophie (2019), §14.
42. Bielefeldt, 86.
43. Benz, 11.

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